Sport-Angebot im Schwimmbad Bestwig „echtes Sprungbrett“ für junge Menschen mit Handicap

Sport-Angebot im Schwimmbad Bestwig „echtes Sprungbrett“ für junge Menschen mit Handicap

Bestwig/Bigge: Bei einem kurzen Halt am Beckenrand sind sich die jungen Leute einig: „Es macht den Kopf frei“, „Man kann sich so richtig auspowern“ oder auch „Im Wasser ist der Stress völlig weg“. Die jungen Menschen absolvieren im Berufsbildungswerk (BBW) des Josefsheims Bigge eine Ausbildung in verschiedenen Berufsfeldern. Dazu gehören auch – je nach individuellem Interesse und Förderbedarf – Trainingszeiten im Schwimmbad Bestwig. Auf die Auszubildenden habe das sehr positive Effekte, weiß BBW-Ausbilder Michael Hamann aus dem Bereich der Elektrotechnik.

Vor rund zehn Jahren hat er die Zusammenarbeit zwischen dem Berufsbildungswerk und dem Schwimmbad Bestwig ins Leben gerufen. Rund 220 Jugendliche mit ganz verschiedenen Handicaps absolvieren derzeit im BBW des Josefsheims eine Ausbildung, um fit für den ersten Arbeitsmarkt zu werden. Nun ist immer freitags die Gesundheitssportgruppe des BBW unter der Leitung von Pädagogin Alexandra Pohl im Schwimmbad Bestwig. Dieses Angebot hat sich etabliert – Michael Hamann: „Es war eine tolle Erfahrung, was der Sport psychisch und auch körperlich mit den jungen Menschen macht.“

Denn angefangen hatte alles eigentlich ganz anders: BBW-Ausbilder Hamann hatte bemerkt, dass bei der Fitness seiner Azubis Handlungsbedarf besteht: „Im Beruf muss man schließlich auch körperlich leistungsfähig sein.“ Michael Hamann, ausgebildeter Rettungsschwimmer und selbst aktiv in der Schwimmabteilung des TuS Velmede-Bestwig sowie im Förderverein der Wasserfreunde, stellte den Kontakt mit dem damaligen Schwimmbad-Mitarbeiter Dirk Thomas und der Gemeindeverwaltung Bestwig her. Es sollte ein Versuch sein – der aber auf allen Seiten Begeisterung auslöste: „Auf einmal kamen von den jungen Leuten Rückmeldungen wie, „Wow, wenn ich im Wasser bin, hört mein Kopf auf zu denken – was ist los?“, erzählt Michael Hamann. Die jungen Leute wurden nicht nur fitter –auch psychisch „machte“ der Sport im Wasser etwas mit ihnen.

„Sich im Wasser zu bewegen ist eine intensive körperliche Erfahrung“, weiß Markus Eckert, der als Psychologe im Berufsbildungswerk tätig ist: „Man geht nicht unter, man lässt sich tragen, man kommt voran, man ist mutig.“ Für die Jugendlichen seien das „enorm positive Erfahrungen“. Auf diese Weise könne das Selbstvertrauen gefördert und umgekehrt Angst abgebaut werden. Depressionen, AD(H)S, Autismus, posttraumatische Belastungsstörungen oder andere psychische und körperliche Einschränkungen sind der schwere „Rucksack“, den viele jungen Menschen im BBW des Josefsheims mit sich tragen. Schon in jungen Jahren führe das häufig zu sozialem Rückzug und oft auch dem Vermeiden von sportlichen Aktivitäten. Im Schwimmbad Bestwig „macht man dann das erste Mal wieder etwas, was man seit Jahren unter Umständen nicht gemacht hat“, erläutert Markus Eckert: „Das kann eine sehr positive Selbsterfahrung sein mit motivationsfördernden Effekten auf das allgemeine Leistungsverhalten.“

Während die berufliche Ausbildung eher ein „Langstreckenlauf“ ist, könne man sportlich schon nach ein paar Wochen durch regelmäßiges Training deutliche Leistungszuwächse erleben, so Psychologe Eckert: „Die Verbindung zwischen Anstrengung und Erfolg ist viel unmittelbarer als in der Ausbildung.“ Schon immer sei Sport ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation junger Menschen im BBW gewesen – auch das Schwimmen habe mittlerweile diesbezüglich einen solchen Stellenwert, dass es Teil der Maßnahmenpläne geworden ist, die das BBW und die Auszubildenden miteinander vereinbaren: „Damit bekommt das Ganze schon ein hohes Maß an Verbindlichkeit.“ Die Zusammenarbeit mit dem Schwimmbad Bestwig sei da ein Glücksfall – Markus Eckert: „Dieses Schwimmbad ergänzt unser sportliches Angebot mit dem Ziel der Fitness- und Gesundheitsförderung im BBW auf besondere Weise.“ Mit seinem Engagement für das Schwimmen habe Michael Hamann auf diesem Gebiet „echte Pionierarbeit“ geleistet.

Und davon profitieren insbesondere die jungen Menschen. Oftmals sei im Alltag z.B. eine Autismus-Spektrum-Störung oder eine AD(H)S nicht das eigentliche Problem, so Psychologe Eckert – vielmehr sei die Herausforderung, die damit verbundene psychische Besonderheit der eigenen Person mit Beruf und Alltag „kompatibel“ zu machen, die Schwierigkeit. Der Sport kann dabei – bildlich gesprochen – zu einem „Adapter“ werden – indem er sehr unmittelbar ein Vertrauen in die eigenen Stärken vermittelt. Michael Hamann bringt es auf den Punkt: „Kann ich nicht‘ gibt es nicht.“ Alexandra Pohl ergänzt, dass das Schwimmangebot mittlerweile richtig populär geworden ist: „Es hat sich unter den Auszubildenden herumgesprochen und sie motivieren sich gegenseitig.“

Es gelte im BBW des Josefsheims, junge Menschen mit Handicap fit zu machen, damit sie nicht in Hilfssystemen verbleiben, sondern ihren Weg auf den 1. Arbeitsmarkt und in ein möglichst selbstständiges Leben finden, unterstreicht Markus Eckert: „Neben den anderen Förderangeboten im BBW kann auch das besondere Schwimm-Angebot im Schwimmbad Bestwig dabei zu einem echten „Sprungbrett“ werden.“

 

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Quelle: Gemeinde Bestwig
Bild: „Kann ich nicht, gibt es nicht“: Auszubildende aus dem Berufsbildungswerk des Josefsheims Bigge trainieren regelmäßig im Schwimmbad Bestwig.
Fotocredits: Gemeinde Bestwig