Die politische Stimme der Frauenhilfe vor 90 Jahren und heute
Westfalen: „Wir haben uns immer zu politischen, kirchen- und diakoniepolitischen Fragen der Zeit verhalten, haben Stellung bezogen, Kampagnen angestoßen, Solidarität bewiesen“, stellt Angelika Waldheuer, Vorsitzende der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. (EFHiW), fest. In ihrem politischen Handeln knüpft die Frauenhilfe an ein 90 Jahre altes Erbe an: Der Soester Erklärung.
Am 24. Oktober 1934 verabschiedete der Engere Vorstand des Frauenverbandes nach äußerst kontroversen Diskussionen die „Soester Erklärung“. Der Verband bekannte sich damit zur Unabhängigkeit der Kirche von staatlicher Kontrolle und zur Treue zur biblischen Lehre, ähnlich der Bekennenden Kirche, und beendete seinen Neutralitätskurs in der frühen NS-Zeit. In den folgenden Monaten bestätigte ein Großteil der einzelnen Frauenhilfe-Gruppen die Soester Erklärung. Nach Ablauf eines Ultimatums mussten im März 1935 etwa 10 bis 15 Prozent der Gruppen ausgeschlossen werden, andere verließen den Verband von sich aus. Wiederum andere Gruppen spalteten sich.
Trotz des eindeutigen Bekenntnisses handelte der Verband bis 1945 auch widersprüchlich: Kooperationen mit nationalsozialistischen Organisationen wurden befürwortet und Doppelmitgliedschaften in NS-Organisationen und Frauenhilfen toleriert. Eine Studie über die Geschichte der Evangelischen Frauenhilfe im Dritten Reich veröffentlichte 2006 die Theologin und Historikerin und heutige stellvertretende Vorsitzende der EFHiW Dr. Beate von Miquel. „Die Frauenhilfe befand sich inmitten der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen während der NS-Zeit – keineswegs am Rande“, fasst Verbandsleitung und Pfarrerin Birgit Reiche die Ereignisse zusammen.
In der Tradition der Soester Erklärung steht politisches Handeln nach wie vor auf der Tagesordnung der EFHiW: Seit 1949 greifen Frauen im Rahmen des Weltgebetstags immer wieder brisante Themen wie Prostitutionstourismus, die Rechte indigener Bevölkerung oder den Umgang mit der Schöpfung auf. Ein Beispiel für kreative Einmischung war der Früchteboykott gegen die Apartheid in Südafrika mit dem Slogan: „Kauft keine Früchte aus Südafrika! Jeder Kauf eines Produkts aus Südafrika unterstützt die Rassentrennung.“
Auch die Anti-Gewalt-Arbeit, Unterschriftenaktionen für fairere Arbeitsbedingungen, Mahn-Gottesdienste und Resolutionen zu Energiepolitik, Frieden und Populismus stehen für das Bekenntnis von 1934. Mit den im Mai veröffentlichen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit extremen und populistischen Organisationen möchte die Frauenhilfe zur sachlichen Auseinandersetzung mit der Gefährdung der Demokratie beitragen. Denn: „Wir stehen für die Gleichwertigkeit aller Menschen“, erklärt Angelika Waldheuer und Birgit Reiche fügt hinzu: „Unser politisches Handeln in der Frauenhilfe ist fest in unserer evangelischen Tradition verankert und bietet gleichzeitig eine Perspektive für die Zukunft.“
Hintergrund
Vor 90 Jahren festigten die Nationalsozialist*innen ihre Macht und stabilisierten die Diktatur Adolf Hitlers. So wurde 1934 unter anderem der Rundfunk im Deutschen Reich gleichgeschaltet, um ungestört nationalsozialistische Propaganda verbreiten zu können. Gleichzeitig formierte sich auch der Widerstand: 1934 gründete sich die Bekennende Kirche als Reaktion auf die Versuche des NS-Regimes, die Deutsche Evangelische Kirche zu kontrollieren und ihre Lehren an die nationalsozialistische Ideologie anzupassen.
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Quelle: Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Bild: Schulterschluss für christliche Werte: Vorsitzende Angelika Waldheuer und Pfarrerin Birgit Reiche, Geschäftsführung der EFHiW.
Fotocrediots: EFHiW